Professionalisierung von Lehrenden

Kurzbeschreibung:

Ausgangssituation und Ziele:

Das Konzept Universitätsschule wurde auf Initiative des damaligen Kultusministers Ludwig Spaenle in Bayern 2009 initiiert, um eine zielführendere Vernetzung von akademischem Studium an der Universität und der Tätigkeit an beruflichen Schulen sowie von Theorie und Praxis in der ersten, zweiten und dritten Phase der Lehrerbildung für kaufmännische Schulen zu erreichen.
Die Idee der Universitätsschule steht dabei im Kontext von Bemühungen, die Wirksamkeit von Lehr- und Lernprozessen über eine weitergehende Professionalisierung des Lehrerhandelns an beruflichen Schulen zu fördern. Ziel ist es, durch die Rezeption nationaler und internationaler Lehr-Lern-Forschung in Verbindung mit „Best Practice“-Beispielen der unterrichtlichen Praxis eine Sensibilisierung für ein evidenzbasiertes Lehren zu erreichen.
Das Konzept der Universitätsschule an der Fakultät für Betriebswirtschaft / dem Institut für Wirtschaftspädagogik der LMU ist ein integrierter Bestandteil der beiden Masterstudiengänge Wirtschaftspädagogik (Wipäd I) und Wirtschaftspädagogik mit integriertem Wahlfach (Wipäd II).
Zentrale Bedeutung kommt dabei neben dem Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Professorinnen/Professoren, Dozentinnen/Dozenten, Schulleitungen, Seminarlehrkräften, Mentorinnen/Mentoren, Betreuungslehrkräften und Studierenden vor allem der Sensibilisierung für zentrale Fragestellungen, Probleme und Herausforderungen der gegenwärtigen Praxis beruflichen Unterrichts sowie der gemeinsamen Erarbeitung von Lösungsvorschlägen, deren Implementierung in der beruflichen Unterrichtspraxis und der gemeinsamen Evaluation und Reflexion zu. Am Münchener Universitätsschulkonzept der LMU sind neben zwei institutionalisierten Universitätsschulen (Städtische Berufsschule für Büromanagement und Industriekaufleute; Therese-von-Bayern-Schule Staatliche Berufliche Oberschule für Wirtschaft) weitere dreizehn städtische und staatliche berufliche Kooperationsschulen (Fach- und Berufsoberschulen, kaufmännische Berufsschulen und Wirtschaftsschulen) mit insgesamt 26 Lehrkräften beteiligt.

Abbildung 1: Einbindung des Universitätsschulkonzepts

Vorgehen:

Das Pflichtmodul „Fachspezifische Grundlagen der Wirtschaftspädagogik“ besteht aus drei Veranstaltungen: Vorlesung: ‚Berufliche Kompetenzen‘, Proseminar: ‚Theory meets Practice I (TmP I)‘ und Übung: ‚Schulpraktische Studien (SPS)‘.

Abbildung 2: Ziele und Inhalte der Fachspezifischen Grundlagen

  • In der Vorlesung werden theoretische Konzepte, Modelle und Strategien zum Curriculum, zur Instruktion und zum Assessment vorgestellt und diskutiert.
  • Im Proseminar „Theory meets Practice I (TmP I)“ werden diese theoretischen Kategorien auf konkrete berufliche Handlungsfelder von Lehrenden – die sogenannten Lehrerbildungsstandards gemäß Kultusministerkonferenz (KMK) – bezogen. Dabei werden diese inhaltlich aufgearbeitet, entsprechende Beobachtungsinstrumente ausgewählt bzw. erarbeitet sowie hierauf bezogen unterrichtliches Handeln in beruflichen Schulen beobachtet, systematisiert, diskutiert und gemeinsam reflektiert.
  • In den „Schulpraktischen Studien (SPS)“ werden die Studierenden in die Planung, Durchführung und Evaluation von Unterricht eingeführt und damit auf ihren ersten eigenen Unterrichtsversuch vorbereitet und dabei zugleich begleitet.

Die Veranstaltungen finden abwechselnd in Phasen von Plenar- und Kleingruppensitzungen statt. In einer übergreifenden gemeinsamen Abschlussveranstaltung werden Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse sowie theoretische Konzepte und Modelle gemeinsam mit allen Beteiligten präsentiert sowie jeweils für sich und in ihrem Zusammenhang diskutiert und reflektiert. Dabei lernen die Studierenden, berufliche Unterrichtspraxis mittels theoretischer Kategorien wahrzunehmen und zu verstehen, aber diese auch mit Hilfe dieser Kategorien zu gestalten und kritisch zu hinterfragen.

Im Verlauf der beiden Masterstudiengänge Wipäd I und Wipäd II können weitere auf den Beruf der Lehrkraft an beruflichen Schulen vorbereitende berufsschulspezifische Vertiefungen gewählt werden. So zum Beispiel die im Rahmen des Universitätsschulkonzepts verankerte Veranstaltung „Theory meets Practice II“, in der wechselnde Themen wie „Lernstrategien“, „Pädagogische Diagnose“, „Didaktische Jahresplanung“, „Kompetenzorientierung“ etc. von Dozierenden mit praktischer Lehrerfahrung angeboten werden. Aufgrund dieser engen Verzahnung von Theorie und Praxis werden Netzwerke geknüpft, die es den Studierenden ermöglichen, zu jeder Zeit weitere Praxiserfahrungen – auch außerhalb der ECTS-Rechnung - zu machen. Masterarbeiten im Kontext der Universitätsschule können geschrieben werden.

Erwartete Ergebnisse:

Auf diese Weise erwerben die Studierenden durch das „Universitätsschulkonzept“ und die damit verbundene Verzahnung von Theorie und Praxis theoretisches Orientierungswissen, praktisches Handlungswissen und werden zugleich zur kritischen Selbstreflexion angeregt.
Eine besondere Herausforderung stellt die Koordination der strukturellen und zeitlichen Planungen der beteiligten Institutionen und Akteure dar. In kooperativen kontinuierlichen Verbesserungsprozessen konnten jedoch allgemein akzeptierte Lösungen erarbeitet werden.
Von unschätzbarem Wert für die Überwindung der Kluft von Theorie und Praxis ist das Engagement des beteiligten Teams, das sich über nunmehr 10 Jahre gemeinsam aus- und weitergebildet hat und die Studierenden exemplarisch auf ihre ersten Erfahrungen in der Profession vorbereitet und dabei begleitet.
Somit ergibt sich eine Win-Win-Situation für alle Akteure:

  • Zielführendere Ausbildung der Studierenden: In den vergangenen 10 Jahren haben rund 400 Studierende die Universitätsschule durchlaufen. Dabei haben sie rund 27.000 Unterrichtsstunden beobachtet und diskutiert, zielgerichtet Problemlösungen erarbeitet und diese mit erfahrenen Lehrkräften und Mentorinnen/Mentoren sowie den Dozierenden der Universität reflektiert.
  • Weiterbildung der Akteure: Alle Beteiligten haben gemeinsam zentrale Fragen der beruflichen Unterrichtspraxis theoriegeleitet diskutiert und reflektiert.
  • Impulse zur Schulentwicklung: Die Ergebnisse aus der Universitätsschule haben zugleich auch Anregungen für die praktische Schularbeit geben können.

Fasst man zusammen, so unterstützt das Konzept der „Universitätsschule“ nachhaltig die Studienstruktur der Wirtschaftspädagogik an der Fakultät für Betriebswirtschaft der LMU. Mit einem Umfang von ca. 25 % des Studienangebots (zusätzliche Vertiefungen sind möglich) stellt es zusammen mit den drei anderen „Säulen“ des Wirtschaftspädagogikstudiums (Berufstheorie/Strukturen/Bildungsmanagement, Lehren/Lernen/Entwickeln, Forschungsmethoden) sicher, dass übergreifend Sinnzusammenhänge beruflicher Bildung vermittelt werden, dass der Zusammenhang von Kasuistik und Systematik sowie von Theorie und Praxis gewahrt bleibt und die Studierenden nicht bei isolierten Detailfragen beharren. Gerade auch die Betonung des Forschungsaspekts ermöglicht den Zugriff auf neue Problemstellungen, wie sie für die vielfältigen Handlungsfelder von Wirtschaftspädagoginnen und -pädagogen sich immer wieder neu stellen (z.B. Lehr- und Lernanforderungen angesichts von Digitalisierung oder Nachhaltigkeit). Zugleich wird auch auf Tätigkeiten in der 2. und 3. Phase der Lehrerausbildung bzw. in der Weiterqualifizierung von Ausbildern vorbereitet. Das Konzept der „Universitätsschule“ vermag damit über die Qualifizierung der Studierenden, aber auch die Anregungen für das Lehr- und Ausbildungspersonal als wesentlicher Baustein für die Entwicklung und Förderung des Gesamtbereichs der kaufmännischen Aus- und Weiterbildung zu dienen.

Projektleitung:

Prof. Dr. Susanne Weber
Institut für Wirtschaftspädagogik
Munich School of Management
Ludwig-Maximilians-Universität München

Projektkoordination:

Mona Off, M.Sc.

Schulpraktische Studien:

StD Anton Schicker

Ausgewählte Literatur

  • Weber, S., Wiegand, M., & Storfinger, J. (2019). Das Konzept der „Universitätsschule“ im Studium der Wirtschaftspädagogik an der LMU. Munich School of Management Magazine, 36-39.
  • Guggemos, J. & Schönlein, M. (2017). Arbeitsaufgaben von Industriekaufleuten im Externen Rechnungswesen: Analyse und Modellierung der Domäne. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 113(2), 325-347
  • Weber, S., Schönlein, M., Guggemos, J., & Friedl, M. (2016). Universitätsschule an der LMU in München. In H. Käfler & P. Bodensteiner (Hrsg.), Tagungsband „5 Jahre Universitätsschule-Bilanz und Perspektiven“, Sonderausgabe Nr.1 - Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen (S. 39-62). Wildbad Kreuth: Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst.
  • Guggemos, J. & Schönlein, M. (2015). Modellierung von Kompetenzen in der beruflichen Bildung - Entwicklung und Validierung eines Kompetenzniveaumodells für das externe Rechnungswesen. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 111(4), 524-551.